by Dr Manfred Hückel

In jeder Schultasche ein Laptop!

Angesichts einer handfesten Krise leuchten die Augen eines leidenschaftlichen Change Managers - der oder die hauptsächlich betriebliche Reformen leitet - wie bei einem Schulkind vor dem Praterbesuch. Denn in einer Krise sind die Menschen bereit für Veränderungen – für Change! Das hat schon John Kotter, der als führender amerikanischer Experte für Veränderungsmanagement gilt, als Grundvoraussetzung für sein Change Management Modell festgestellt: „Establishing a sense of urgency“ – also das Feststellen der Dringlichkeit – fällt in einer Krise nicht schwer. Und auch die einflussreiche Harvard Professorin Rosabeth Kanter beginnt bei der Aufzählung ihrer „sieben Fähigkeiten von Change Managern“ bei der Herausforderung, die Notwendigkeit der Veränderung zu spüren. Häufig wird in schweren Zeiten auch das chinesische Schriftzeichen für „Krise“ herangezogen, um so etwas wie Aufbruchsstimmung zu verbreiten: Es wird aus dem Zeichen für „Gefahr“ und dem Zeichen für „Chance“ zusammengesetzt. Genau jetzt, mitten in einer weltweiten Krise, sind unsere Schulen nicht nur in Gefahr, es öffnet sich auch das Fenster einer Chance, die wohl so bald nicht wiederkommen wird! Denn das Eisen muss geschmiedet werden, solange der Zustand unseres öffentlichen Schulsystems in der Coronakrise ein heißes Thema ist!

Schritt 1: Schule in der Krise!

Sind wir uns heute neben der fortschreitenden Klimakatastrophe und der Pandemie samt ihren wirtschaftlichen Konsequenzen auch der Krise bewusst, in der unser öffentliches Schulsystem steckt? Dabei geht es nicht um unsere Volksschulen, in denen die meisten Pädagoginnen und Pädagogen ihre Schützlinge, deren Stärken sie genau kennen, recht schadlos durch die Coronabeschränkungen bringen können. Die schulische Katastrophe beginnt für viele danach – und dies wurde durch eine Art schulischen Corona-Test im Jahr 2020 gnadenlos aufgedeckt. Nur die leidenschaftlichsten Gymnasial- und Mittelschullehrer schafften es tatsächlich, alle ihre Schülerinnen und Schüler in diesen Monaten mit ihrem Unterricht zu erreichen. Und wenn, dann war es ihrer außergewöhnlichen Eigeninitiative zu verdanken und nicht einem Schulsystem, das keine nennenswerten Reformen mehr erlebt hat, seit Maria Theresia 1774 die Schulpflicht in Österreich eingeführt hat. Dabei muss uns bewusst sein, dass für die Verbreitung von Wissen das digitale Zeitalter einen ähnlichen Umbruch bedeutet wie die Erfindung des Buchdrucks vor mehr als 550 Jahren! Die großartigen Errungenschaften des Buchdrucks verlieren nun aber leider immer mehr an Reiz für unsere Schulkinder – denn die sind schon längst im digitalen Zeitalter angekommen.

In Zeiten der Quarantäne ist diese Krise unseres Schulsystems nicht nur vielen Bildungsexperten, sondern auch den meisten Eltern bewusst geworden, die im „Home-Schooling“ unmittelbar damit konfrontiert worden sind: Unser Schulsystem kann nicht gewährleisten, dass alle unsere Kinder gemäß ihren individuellen Stärken gefördert werden, und zwar weder im „Distance Learning“ noch im Präsenzunterricht! Und nur in seltenen Fällen können sie ausreichend auf die Chancen der digitalen Welt vorbereitet werden. Exklusive Privatschulen wie die St. Gilgen International School erleben daher derzeit einen nie dagewesenen Zulauf von österreichischen Schulkindern, deren Eltern unter allen Umständen dem öffentlichen Schulsystem entfliehen wollen. Und an alle Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer richtet sich nun die Frage: Sind wir bereit für CHANGE?

Schritt 2: Die Vision vom Laptop in jeder Schultasche

Erfolgreiche Change Management Projekte beginnen nicht beim Thema „Was verändert gehört“, sondern beim „Warum“ und „Wie“. Der britisch-amerikanische Bestsellerautor Simon Sinek fügt dem noch hinzu, dass Martin Luther King in einer der berühmtesten Reden der Weltgeschichte auch nicht gerufen hat: „Ich habe einen Plan!“ – sondern: „I have a dream!“ Steigen wir also beim Thema „Vision and Values“ ein: Fällt uns ein Bild zur Visualisierung einer Lösung ein, die allen Schulkindern gleichermaßen die Chance auf digital unterstütztes Lernen bietet?

Schließen wir kurz die Augen und stellen wir uns die Schultasche eines zwölfjährigen Mädchens oder Buben vor. Das kann ein Rucksack oder eine Umhängetasche sein – was immer gerade angesagt ist.

Jetzt stellen wir uns einen Laptop vor.

Und schließlich stellen wir uns einen Laptop in der Schultasche vor. Nicht nur in der einen Schultasche, sondern in jeder. In wirklich jeder.

Wenn uns das gelingt und wir hoffentlich die Augen wieder geöffnet haben, dann ist ein entscheidender Schritt zu einer unaufhaltsamen Schulreform getan, von der Millionen Schulkinder unseres Landes profitieren könnten: Zur Vision vom Laptop in jeder Schultasche!

Schritt 3: Die neue Werteordnung in unseren Schulen

Nach der Vision sind unsere „Values“, also unsere Grundwerte, der zweite entscheidende Faktor zum Gelingen des Reformprozesses. Die Vision – die Schultaschen mit Laptop – gibt uns ein Bild für das WARUM unseres Vorhabens. Die Werte bestimmen das WIE.

Lassen Sie uns beim WIE an ein Erfolgsmodell aus der Marktwirtschaft denken, welches man als „Kundenorientierung“ bezeichnet. Aber wer sind die Kunden in unserem Schulsystem? Es sind weder Regierungsparteien noch Interessensvertretungen. Es sind auch nicht die Lehrerinnen, Lehrer und Eltern, deren Zufriedenheit nicht der Grund, sondern das Resultat unserer Reform sein soll. Es geht einzig und allein um das Wohl unserer Schülerinnen und Schüler, unserer Kinder! Speichern wir in unseren Gedanken also zu den Schultaschen mit Laptop auch die jugendlichen Gesichter der jungen Gymnasial- und Mittelschüler/innen ab, für die der erste Laptop genauso dazugehören soll wie die Schultüte für unsere „Taferlklassler“. Das sind unsere Kunden, die unsere gesamte Aufmerksamkeit und unseren Respekt verdienen!

Wie fühlt sich dieser Gedanke an? Wenn wir dabei ein leichtes Kribbeln verspüren – so wie mit Schmetterlingen im Bauch – dann kann aus diesem Gedanken etwas Großartiges entstehen!

Schritt 4: Die Eckpfeiler der Reform:
Digitale Lernunterstützung, Ganztagesschulen, D-BAC

Beginnen wir uns nun damit zu beschäftigen, WAS wir im Wesentlichen an unseren Schulen verändern müssen, um unsere Vision und unsere Wertordnung zu verwirklichen. Die ersten beiden Eckpfeiler der Schulreform lassen sich direkt aus unserer Vision der Schulkinder mit Laptop in jeder Schultasche ableiten:

1.Digitale Lernunterstützung

Mit Eintritt in das Gymnasium oder die Mittelschule bekommt jedes Kind, das kein Endgerät von den Eltern erhalten kann, ein Leihgerät von der Schule gestellt. Für die fünfte und sechste Schulstufe kann die bereits geplante Verwendung von Tablets die richtige Lösung sein, ab der siebenten Schulstufe ist es dann wohl spätestens an der Zeit, auf Laptops für alle umzusteigen. Zur technischen Betreuung werden – je nach Schulgröße – ein oder mehrere IT-Spezialisten sowie ein oder mehrere Koordinatoren für digitales Lernen eingestellt. Letztere kümmern sich um die ausgewählte Lernplattform und unterstützen die Lehrer beim Einsatz neuer digitaler Lehrmethoden. Denn es kann nicht sein, dass ein IT-begabter Lehrer dies in seiner Freizeit für die Kolleginnen und Kollegen zu übernehmen versucht, wie es derzeit häufig der Fall ist. Die Entscheidungen sind möglichst in Kundennähe zu treffen – auch das ist ein erfolgreiches Prinzip aus der Marktwirtschaft – also bei der Schulleitung. Die Position der Schulleiterin oder des Schulleiters ist daher deutlich aufzuwerten: Sie ist wie ein verantwortlicher Geschäftsführer zu sehen, der möglichst viel Autonomie hinsichtlich Personalverantwortung und Budgetierung zu tragen hat – bei gleichzeitig spürbar attraktiverer Entlohnung. Denn die besten Köpfe im Lehrerkollegium sollen sich um diese Position bewerben! Ausnahmen stellen Entscheidungen über Systeme dar, die landesweit gleich eingesetzt werden sollen, wie etwa die Lernplattform. Hier muss die übergeordnete Instanz entscheiden, also das Land. Und schließlich muss jede Schule über ein schnelles und zuverlässiges WLAN verfügen. Es gibt also einiges zu tun, aber das war erst der Anfang, denkt sich jetzt der Change Manager.

2.Ganztagsschulen

Die Notwendigkeit von Ganztagsschulen leitet sich schon aus dem Vorhandensein des WLANs an der Schule ab – denn man kann keinesfalls damit rechnen, dass dies in allen Haushalten zur Verfügung steht. Ganztagsschulen haben für unsere Schulkinder (mit ihren Schultaschen und Laptops) noch weitere im Sinne einer bedingungslosen Kundenorientierung unverzichtbare Vorteile: Sie können ihre Aufgaben bereits in der Schule machen und haben dann am späteren Nachmittag Zeit für ihre Freunde oder für die Unterstützung ihrer Familien. Wie die österreichische Journalistin, Bildungs- und Migrationsexpertin Melisa Erkurt in ihrem Buch „Generation Haram – Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben“ aufzeigt, stehen speziell viele Kinder mit Migrationshintergrund vor der Herausforderung, dass sie sich zu Hause um ihre Geschwister kümmern oder ihren Eltern bei Sprachproblemen helfen müssen. Viel zu oft haben sie keine Möglichkeit, zu Hause an einem Computer Arbeiten für die Schule zu erledigen.

Ganztagsschulen bieten auch die beste Methode zur Integration von Kindern mit geringen Deutschkenntnissen: Sie müssen während der regulären Stunden unbedingt in ihren Klassen unterrichtet werden, auch wenn sie anfangs dem Unterricht nur teilweise folgen können. Zusätzlichen Deutschunterricht bekommen sie in den Nachmittagsstunden. Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage unter Pädagoginnen und Pädagogen in Deutschförderklassen hat diesen Ansatz bestätigt, und er entspricht auch der Erfahrung an der St. Gilgen International School. Jährlich werden hier etwa 50 neue Schülerinnen und Schüler aus über 30 Ländern und verschiedensten sozialen Hintergründen integriert (etwa ein Drittel der Kinder können durch Stipendien unterstützt werden). Egal, wie wenig Englisch sie im September verstehen – etwa zu Weihnachten sprechen es die meisten fließend!

Weiters bieten Ganztagsschulen den Kindern die Möglichkeit, in außerschulischen Aktivitäten mehr über ihre eigenen Stärken in Sport, Musik, Kunst, etc., zu erfahren. Nach der amerikanischen Psychologin und Bestsellerautorin Angela Duckworth („Grit“) haben sie in diesen Aktivitäten die Chance, Leidenschaft und Durchhaltevermögen zu entdecken. Und zwar dann, wenn sie das Glück haben, einen leidenschaftlichen Coach zu bekommen, wenn sie die Aktivität über mehrere Jahre verfolgen und dabei Leistungsfortschritte gefordert sind. Weiterhin sollte deswegen auch als Alternative zu den schulischen Aktivitäten am Nachmittag weiterhin der Zugang zu externen Sportvereinen, zu privatem Musik- Schauspiel- oder Kunstunterricht möglich sein. Die Entwicklung von Durchhaltevermögen hat sich übrigens als wesentlicher Erfolgsfaktor im späteren Berufsweg herausgestellt, und viele Arbeitgeber suchen speziell nach dieser Stärke bei Jobkandidaten und -kandidatinnen.

Schließlich bieten Ganztagsschulen die Möglichkeit, den Kindern – und natürlich auch den Lehrern - beim gemeinsamen Mittagessen gesunde, regionale, fleischarme und nachhaltige Ernährung zukommen zu lassen. Da werden wohl auch die meisten Hausfrauen und Hausmänner nichts dagegen haben – die damit selbst auch bessere berufliche Entfaltungsmöglichkeiten erfahren können.

3. D-BAC – das deutschsprachige Baccalaureate

Der dritte Reformpfeiler enthält die größte Herausforderung und entspricht dem, was der 2020 verstorbene Harvard Professor Clayton Christensen als „disruptive Veränderung“ bezeichnet hat. Dieser Reformbedarf ist so revolutionär, dass er zunächst nur von kleinen Organisationen vorangetrieben werden kann, bis sie damit beharrende große Systeme sogar zerstören können. Beispiele dafür sind das, was die digitale Fotografie mit marktbeherrschenden Giganten wie Kodak gemacht hat, oder auch der disruptive Wechsel von CDs zu Spotify und anderen Streaming Anbietern.

Unter den Schulsystemen halten viele das IB – abgekürzt für „International Baccalaureate“ – für jenes System, das für eine disruptive Veränderung sorgen kann. Die meisten Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, die das IB System kennengelernt haben, schwärmen davon, da es unter anderem das Eingehen auf individuelle Stärken besser ermöglicht. Zudem liegt der Focus des IB Systems bei der Vermittlung von Fertigkeiten wie Problemlösungen, Gruppenarbeiten oder Präsentationen und weniger auf der Vermittlung von reinem Wissen, das ja in der digitalen Welt schneller verfügbar ist als je zuvor. Ein IB Abschluss wird von den besten Universitäten der Welt geschätzt und anerkannt und so stark nachgefragt, dass sich die Zahl der IB Schulen in vier Jahren um fast 40% auf derzeit etwa 5400 in 158 Ländern erhöht hat. Die disruptive Gefahr für das öffentliche Schulsystem besteht darin, dass immer mehr Eltern, die sich das Schulgeld für IB Schulen leisten können, ihre Kinder aus den öffentlichen Schulen abziehen. Und dasselbe gilt für die besonders talentierten Schülerinnen und Schüler, die Stipendien für den Besuch von IB Schulen bekommen können.

Ein Change Manager muss also für eine disruptive Reform unseres öffentlichen Schulsystems das Rad nicht neu erfinden. Er oder sie tut zunächst allerdings gut daran, Schülervertreter des Landes einzuladen, gemeinsam mit Vertretern der Pädagoginnen und Pädagogen, von Eltern, politischen Parteien, Bildungsexperten und Interessensgruppen, um ihnen gut zuzuhören. Daraufhin sind die Vorzüge des IB Systems gegenüber den derzeit angebotenen allgemeinbildenden öffentlichen Schulformen zu diskutieren. Es ist gut vorstellbar, dass eine neue deutschsprachige Version des IB – also ein „Deutschsprachiges Baccalaureate“ (D-BAC) – die beste Reform im Interesse unserer Schülerinnen und Schüler darstellt, denn Unterrichtssprache muss natürlich Deutsch bleiben. Und auch die Klassengröße muss ein Thema sein! In internationalen IB Schulen wie in St. Gilgen werden im Schnitt 12-15 Kinder in einer Klasse unterrichtet, was für öffentliche Schulen einfach nicht realistisch ist. Vielleicht ist die Zahl 24 die richtige maximale Klassengröße, die die Erreichbarkeit aller, wirklich aller Schülerinnen und Schüler gewährleisten kann – in einer Pandemie und danach.

Ein Change Manager muss also viele Wochen zuhören und diskutieren. Und dann muss er oder sie entscheiden, wobei uns bewusst sein muss, dass man es nicht allen rechtmachen kann. Keinerlei Kompromisse dürfen bei der Vision vom Laptop in jeder Schultasche gemacht werden, sowie beim Grundwert der bedingungslosen „Kinderorientierung“. Alles andere ist diskutierbar, sofern es diesen beiden Grundsatzentscheidungen entspricht.

Mit der Entscheidung für die Schulreform beginnt erst die eigentliche Arbeit – die Umsetzung. Ein Change Manager weiß, dass erst hier die Entscheidung zwischen erfolgreichen oder gescheiterten Reformprojekten fällt und dass man auch in Anbetracht größter Schwierigkeiten die Vision und Grundwerte nie aus den Augen verlieren darf. Es ist ein langer Weg. Zum Vergleich, die Akkreditierung einer neuen IB Schule dauert derzeit etwa 3 Jahre und beinhaltet jede Menge Fortbildungsmaßnahmen für das Lehrpersonal. Übrigens sind die meisten Lehrerinnen und Lehrer begeistert von den Möglichkeiten dieses neuen Systems, wenn sie sie einmal kennengelernt haben. Und von denen, die gar nichts von Veränderungen halten, wollen wir vielleicht ohnehin nicht, dass sie unsere Kinder unterrichten...

Schritt 5: Die Finanzierung

Wir brauchen ein Milliardenbudget für Laptops und WLAN, mehr Jobs an den Ganztagsschulen, gesundes Essen für alle, Fortbildungsmaßnahmen für Lehrpersonal und bessere Bezahlung – speziell für die Schulleitung. Dennoch ist die Finanzierung solcher Infrastrukturmaßnahmen in Zeiten von Wirtschaftskrise und Negativzinsen ein sogenannter „No-Brainer“, deren Notwendigkeit man nicht einmal diskutieren sollte. Wird es aber, und zwar nicht nur bei uns. Beispielsweise wurde die Brandenburger Bildungsministerin Britta Ernst – verheiratet mit Finanzminister Olaf Scholz – in einem stern Interview für die Ausgabe am 21.1.2021 gefragt, warum das „Whatever it takes – koste es, was es wolle“ Prinzip nicht für die Bildung gilt. Ihre Antwort: „Der Vergleich hinkt.“ „In den Schulen sind keine Arbeitsplätze gefährdet; die Schulen sind nicht in ihrer Existenz gefährdet.“ Stimmt, die öffentlichen Schulen sind nicht in ihrer Existenz gefährdet. Aber unsere Schulkinder sind es! Und ist es nicht auch moralisch mehr als gerechtfertigt, wenn wir den jungen Menschen für ihre Zukunft, in der sie sich zudem mit den Umweltsünden der älteren Generationen herumschlagen müssen, ein solches Milliardenpaket als Starthilfe mitgeben?

Ein Change Manager würde also das „Whatever it takes“-Prinzip mit reinem Gewissen für die Schulbildung unserer Kinder zur Anwendung bringen. Zudem würde er trotz Coronakrise gut florierende Großbetriebe herzlich und nachdrücklich dazu einladen, ihren freiwilligen Beitrag zu einer zusätzlichen Bildungsmilliarde beizusteuern. Auch dafür besteht in einer Krisensituation eine einmalige Chance!

Schritt 6: Der Plan B

Ein Change Manager muss auch für den Fall des Scheiterns einen Plan B in der Schublade haben. Das Scheitern droht schon aufgrund der Widerstände, die grundsätzlich jeder Art von Veränderung entgegengestellt werden. „Das klingt ja alles ganz nett, aber der Teufel liegt im Detail!“, „Unsere Erfahrungen sagen etwas ganz anderes!“, „Unsere Schulen sind doch ohnehin so toll!“, „Die Bildung hat schon einen großen Sprung gemacht!“ – mit diesen Einwänden hat ein Change Manager umzugehen gelernt, denn es gibt sie in wirklich jedem Reformprojekt. Man entgegnet ihnen am besten mit dem Hervorholen des energiespendenden Bildes der gemeinsamen Vision – fast so wie Harry Potter, wenn er seinen „Patronum“ zur Abwehr von Dementoren hervorzaubert...

Wenn ein Change Manager scheitert, dann liegt es häufig am Fehlen von starken Verbündeten, auf die er oder sie sich verlassen kann. Speziell ein Change Manager, der oder die in die Politik wechselt, ist aufgrund einer fehlenden Seilschaft absturzgefährdet, wenn er keine Vertrauten in politischen Parteien, Gewerkschaften oder sonstigen Interessensvertretungen hat. Und dass man im öffentlichen Raum noch ein dickeres Fell als bei innerbetrieblichen Reformprojekten braucht, lernt man als Change Manager oftmals auf nur allzu schmerzliche Art und Weise. Es gibt viele Gründe, warum Quereinsteiger aus der Wirtschaft in der Politik krachend scheitern, denn Politiker zu sein ist ein Beruf, für den es eine jahrelange Ausbildung braucht, die sich vom Werdegang des Change Managers drastisch unterscheidet. Allerdings wäre ein leidenschaftlicher Change Manager nicht ein ebensolcher, wenn er oder sie es nicht trotzdem probieren würde!

Wie kann aber ein sinnvoller Plan B ausschauen? Rückzug ist für den Change Manager keine Option. Verändern muss er oder sie etwas. Wenn das ganze Projekt aber doch zu groß geworden ist und er oder sie Gefahr läuft, sich daran zu übernehmen, so ist es aber immer noch möglich, die Reform in einem kleineren Umfeld umzusetzen, das man besser kontrollieren kann. Es braucht nur wenige entschlossene Gleichgesinnte, um eine visionäre Reform in einer kleinen überschaubaren Einheit umzusetzen, die man auch als „Island of Excellence“ bezeichnen kann. Die St. Gilgen International School ist eine solche „Island of Excellence“ in der europäischen Bildungslandschaft, die international respektiert und anerkannt ist. Häufig kann eine solche in sich funktionierende Einheit auch Reformen in anderen Einheiten anstoßen oder Nachahmer finden und damit ihren „Circle of Influence“ - also ihren Einflussbereich - auf andere Schulprojekte ausdehnen.

Auch das ist ein wundervoller Gedanke für einen Change Manager: All die einzelnen Schulkinder auf einer „Island of Excellence“, deren individuelle Stärken durch sein oder ihr Engagement gefördert werden können. Der Change Manager ist dankbar dafür, sie auf einem kurzen Stück ihres Weges in die Zukunft begleiten zu dürfen.
Auch das erzeugt ein Gefühl wie von Schmetterlingen im Bauch.

Aber stärker, viel stärker noch bleibt der Gedanke an hunderttausende Schultaschen, in denen ein Laptop als Verbindung zwischen Schule und digitaler Welt stecken könnte.
Für all unsere Kinder.
Und nur für sie.

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