von Dr. Manfred Hueckel

So erschaffen Sie Ihre eigene „Island of Excellence“

Dieser Artikel möchte dazu inspirieren, für außergewöhnliche Talente im Sport, im Geschäftsleben und im Bildungsbereich ein spezielles Umfeld – „Island of Excellence“ - zu schaffen, in dem diese Talente Weltklasseleistungen erbringen können.

In mehr als zwei Jahrzehnten als Red Bull Manager (ich wurde als eine „Nummer 2“ des Konzerns bezeichnet, auch wenn mir das unangenehm war), als leidenschaftlicher Universitätsdozent und Schulbetreiber und als absolut mittelmäßiger Leistungssportler, habe ich versucht, möglichst jede vielversprechende Theorie zu dieser Thematik kennenzulernen, und vieles davon selbst in die Praxis umzusetzen. Dabei haben sich 3 Kernelemente für die Schaffung einer „Island of Excellence“ herauskristallisiert, also einer überschaubaren Einheit, innerhalb derer Weltklasseleistungen auf den verschiedensten Gebieten möglich sind:

1) Vision: Alle Teammitglieder müssen dieselbe Vision nicht nur kennen, sondern spüren!
2) Charakter: Die Talente auf einer solchen „Island of Excellence“ müssen ein ausgeprägtes Durchhaltevermögen für einen langjährigen Zeitraum (mehr als 10 Jahre) mitbringen sowie dieselben Werte wie alle anderen Teammitglieder teilen.
3) Auf Stärken fokussieren: Das Konzept „Stärken stärken“ muss kompromisslos durchgezogen werden.

Wozu brauchen wir „Islands of Excellence“?

„Ich hasse Mittelmäßigkeit! Mir ist lieber, ein Spieler ist sauschlecht – das ist wenigstens unterhaltsam.“ Diese Worte eines Weltklassetrainers stehen für alle Manager, Coaches und Lehrer, die gegen jede Form von Mittelmäßigkeit ankämpfen, um außergewöhnliche Leistungen zu ermöglichen, die mit den Besten der Welt vergleichbar sind. Bei Mittelmäßigkeit handelt es sich um eine Urgewalt, fast vergleichbar mit der Schwerkraft, die uns zum Erdmittelpunkt zieht (und „Gravity sucks!“ – so habe ich es vom T-Shirt eines jungen Skateboarders gelernt...). Wie bei der Schwerkraft zieht uns auch die Kraft der Mittelmäßigkeit hinunter auf den Boden eines „Meeres der Mittelmäßigkeit“, und es ist ein harter Kampf, sich täglich mit beharrenden Kräften von außen und der eigenen Bequemlichkeit auseinanderzusetzen. Auf der anderen Seite gibt es für einen ambitionierten Trainer, Manager oder Lehrer kaum ein besseres Gefühl, als wenn man einem jungen Talent dabei helfen konnte, Weltklasseniveau zu erreichen und seine oder ihre Träume zu erfüllen.

Der wichtigste Beweggrund für die Schaffung einer „Island of Excellence“ ist es, jungen Talenten dabei zu helfen, ihr volles Potential zu entwickeln. Gleichzeitig kann die Insel aber auch einen starken positiven Einfluss auf ihr Umfeld außerhalb der Insel haben.

Eine unabhängige Studie der HHL (Leipzig) und Friedrich Schiller Universität Jena aus dem Jahr 2016 untersuchte den „Public Value“ des neuen deutschen Bundesliga Clubs RB Leipzig (Meynhardt, Timo; Frantz, Eduard: Der Public Value des RB Leipzig). Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass der Erfolg der Fußballmannschaft und ihr Fokus auf Höchstleistungen einen signifikanten positiven Einfluss auf das kollektive Selbstwertgefühl der Gesellschaft in Leipzig und Umgebung hatte! Ein anderes Beispiel für den Public Value einer „Island of Excellence“ ist die laut dem österreichischen Wirtschaftsmagazin „Trend“ (Okt. 2018) exklusivste österreichische Privatschule St. Gilgen International School. Der positive Einfluss dieser internationalen Schule auf das idyllische Dorf St. Gilgen am Wolfgangsee kann nicht nur anhand von über 100.000,- Euro Steuereinnahmen für die Gemeinde abgelesen werden. Gleichzeitig ist die Schule ein wichtiger Arbeitgeber für die Region und sorgt dafür, dass Restaurants und Kaffeehäuser im Ort auch außerhalb der Saison durch die Schüler aus 28 Nationen gut ausgelastet sind. Am wichtigsten ist aber wohl die Chance für zahlreiche Kinder aus der Umgebung, mit der Hilfe von firmengestützten Stipendien eine exzellente internationale Schulbildung genießen zu können.

Dieser Artikel soll einen Anreiz und eine Anleitung dafür geben, wie ohne große Hilfe von außen „Islands of Excellence“ selbst erschaffen werden können, indem zunächst die richtige Vision für spezielle Talente mit dem richtigen Charakter gefunden wird. Dabei sind Durchhaltevermögen und die Verbundenheit mit den Werten aller anderen unersetzbar. Aber nur wenn qualifizierte und engagierte Coaches, Manager und Lehrer dafür sorgen können, dass mit harter Arbeit die Stärken der Talente gefördert werden – unter bewusster Vernachlässigung der Schwächen – sind absolute Weltklasseleistungen möglich. Das folgende Bild soll eine solche „Island of Excellence“ visualisieren: Talente ragen wie Felsen aus dem Meer der Mittelmäßigkeit heraus und werden von fruchtbarer Erde bedeckt, die ihren Charakter symbolisiert. Wenn die Erde mit dem Fokus auf „Stärken stärken“ bearbeitet wird, kann die Palme als Symbol für die Vision höher und höher wachsen.

Zugegebenermaßen steht meine Leidenschaft für Weltklasseleistungen in einem krassen Gegensatz zu meinen eigenen mittelmäßigen sportlichen Leistungen. Im Oktober 2017 hatte ich die Chance, beim legendären Ironman Hawaii Triathlon an den Start zu gehen. Nach 4 Jahren Training stürzte ich mich gemeinsam mit über 2000 anderen, dem Triathlon Wahnsinn verfallenen Athleten im Morgengrauen in die Wellen des Pazifiks, angetrieben vom Willen, diesen Tag irgendwie zu überstehen. Nach 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42km Laufen durch die unbeschreibliche Hitze von Kona, reichte es für einen Platz im Mittelfeld, meilenweit entfernt von einer Podiumsplatzierung (in meiner Altersgruppe 50+). Faszinierend war für mich dabei insbesondere, mit Athleten aus der Weltklasse des Sports gemeinsam in einem Rennen zu starten und mitzuleiden. Bei jeder Gelegenheit hing ich an den ausgetrockneten Lippen von Triathlon Profis, um alles über ihre Visionen und ihr unmenschlich hartes Training (30 bis 40 Stunden Ausdauertraining pro Woche!) zu erfahren. Exweltmeister Sebastian Kienle zeigte mir sogar einmal sein altes Volksschulheft, in dem er erstmals seinen Triathlon Traum verewigt hatte.

Eine lange Zeit davor, als Student, spielte ich etwa 10 Jahre lang in einer Handballmannschaft (West Wien), die in ihren Glanzzeiten zum erweiterten Feld der Weltklasse gehörte. Allerdings waren auch meine Leistungen am Handballfeld eher mittelmäßig (mit ein paar wenigen Ausnahmen, die ich bei jeder Gelegenheit Freunden und Familienmitgliedern zu erzählen versuche...). In Wahrheit bin ich in den entscheidenden Spielen die meiste Zeit auf der Bank gesessen. Zum allerersten Mal konnten wir allerdings eine echte „Island of Excellence“ erleben, als unsere Mannschaft in den achtziger Jahren ein gemeinsames Trainingslager mit den Olympiateam Jugoslawiens abhalten konnte (unser kroatischer Coach war mit dem jugoslawischen Teamchef befreundet). Zum ersten Mal sahen wir Spieler, denen die Vision „Wir holen olympisches Gold“ in die grimmigen Gesichter geschrieben war. Ihr Training wurde von ausgesuchten Spezialisten in Kleingruppen geleitet, in denen beispielsweise die schnellen Flügelspieler auf ihre Stärken abgestimmte andere Übungen machten als die großgewachsenen und schweren Rückraumspieler. Wir sahen fast nie die gesamte Olympiamannschaft zusammen trainieren. Für uns junge Spieler war es alle ein entscheidendes Erlebnis, zum ersten Mal mit einem Weltklasseteam zu trainieren, deren Vision, Charakter und Training keinen Zweifel daran ließen, dass dieses Team an nichts anderes dachte, als olympisches Gold zu holen (was ihnen auch gelang). Unmittelbar darauf wurde unser Team von Studenten mit einem Durchschnittsalter von knapp über 20 Jahren erstmals österreichischer Handballmeister.

Nach dieser ersten Erfahrung mit einer „Island of Excellence“ im Sport, hatte ich später während mehr als 23 Jahren im Einsatz für Red Bull (u.a. mit globaler Verantwortung für Marketing und Verkauf) das Glück, nicht nur einige der erfolgreichsten und faszinierendsten Sportlerpersönlichkeiten kennenzulernen. Auch von außergewöhnlich erfolgreichen Managern, Politikern und Wirtschaftsprofessoren durfte ich lernen, wie sie exzellente Leistungen über eine lange Zeitspanne erbringen konnten. Aufgrund dieser Erfahrungen und meiner akademischen Aus- und Weiterbildungen (u.a. in so ziemlich jedem „Post Graduate“ Seminar der Harvard Business School, das mit Leadership zu tun hat) habe ich meine Theorie über „Islands of Excellence“ entwickelt. In der Praxis anwenden konnten wir die Theorie sowohl im Rahmen meiner Tätigkeit für Red Bull, als auch im Zuge von ehrenamtlichen Aktivitäten im Sport und im schulischen und universitären Ausbildungsbereich.
Nicht alle „Islands of Excellence” Projekte waren erfolgreich, aber einige davon haben tatsächlich dazu geführt, dass Talente absolute Weltklasseleistungen erbringen konnten, die mit den Besten der Welt vergleichbar sind.

1) Alle müssen die Vision spüren!

Schon von Weitem sieht man die Palme auf unserer Insel, die für die Vision der „Island of Excellence“ steht. Und heutzutage rühmt sich fast jede Organisation einer Vision, die über den Dingen steht. Manchmal wird sie auch als „Purpose“ oder „Mission“ bezeichnet und meint damit einen größeren Sinn, oder ein „Warum“, das über einer gemeinsamen Unternehmung stehen sollte. Leider sind die allermeisten dieser Visionen bestenfalls mittelmäßig, weil sie nicht alle Mitglieder der Organisation erreichen können. Ein Topmanager einer Schweizer Bank wurde kürzlich von Studenten der Hochschule St. Gallen (HSG) über die Vision seiner Bank gefragt. Er antwortete, dass dazu nur die zuständige Abteilung seiner Bank Stellung nehmen könnte. Wahrscheinlich ist es für Sportler einfacher, eine exzellente Vision in ihrer Sportart zu finden, sei es eine olympische Medaille, oder ein Meistertitel. Sie können sich dann vorstellen, wie sie auf dem Podium stehen, die Emotionen beim Abspielen der Hymne fühlen, oder wie sie den Erfolg feiern werden. Aber wie können wir außerhalb des Sports ähnlich starke Visionen finden?

Schauen wir uns zunächst Beispiele exzellenter Visionen an. Während meiner Lehrveranstaltungen an verschiedenen Wirtschaftsuniversitäten zitiere ich dafür gerne den französischen Nationalhelden und Erschaffer des „Kleinen Prinzen“, Antoine de Saint-Exupéry. Er stellte einmal die Frage, wie man am besten eine Gruppe Menschen dazu bringt, gemeinsam ein Schiff zu bauen. Die meisten Studenten schlagen zunächst vor, die Gruppe zu organisieren und die Arbeitsschritte aufzuteilen. Die Antwort von Saint-Exupéry lautet anders: Zunächst muss man bei jedem einzelnen die „Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer“ wecken, indem man darüber spricht, wie es sich anfühlt, über das Meer zu gleiten, wenn man den Wind in den Haaren spürt, das Salz des Meeres auf den Lippen schmeckt und die Schreie der Seemöwen in den Ohren hallen. Erst wenn alle dieselbe Vision sehen und spüren, soll man mit den ersten Arbeitsschritten loslegen.

Ein anderes fiktives Beispiel handelt von einem Interviewer, der die Arbeiter auf einer Großbaustelle danach fragt, was sie hier tun. Der erste antwortet, „ich arbeite hier von 9 Uhr bis 5 Uhr nachmittags.“ Der zweite sagt dazu, „ich versuche der beste Arbeiter auf der gesamten Baustelle zu sein.“ Und der dritte beantwortet die Frage mit der Erklärung, „Wir bauen hier eine Kathedrale“. Nur bei ihm ist die Vision der Unternehmung angekommen. Die zahlreichen Touristen, die Cape Canaveral in Florida besuchen, bekommen stets die Story über den Besuch des legendären Präsidenten J.F. Kennedy erzählt: Er hielt sich häufig nicht an das vorgegebene Protokoll, und auch in diesem Fall tritt er auf einen zufällig anwesenden Mitarbeiter des Reinigungsdienstes zu und fragt ihn nach seiner Arbeit. Der Mann antwortet: „Mr. President, we are bringing a man to the moon!” Dieser Mann soll beispielhaft für eine ganze Nation stehen, die in der Vision vereint war, einen Amerikaner – und nicht einen Russen – als ersten Menschen den Mond betreten zu lassen.

Wie vergleichen sich diese Beispiele mit typischen „Visionen“ aus dem Geschäftsleben, wie z.B. „Zweistelliges Wachstum erreichen“, „Marktanteile dazugewinnen“ oder „Profitabilität steigern“? Nun, solche Schlagwörter klingen zwar ambitioniert für die Unternehmensspitze, sind aber den meisten Mitarbeitern völlig egal. Den großen Unterschied macht eine Vision aus, die auch den jüngste Verkäufer oder die teilzeitbeschäftigte Buchhalterin antreibt, wenn sie morgens aufstehen, die sie über die Phasen des Zweifelns hinwegbringt, die es in jeder großen Aufgabe gibt, und die schließlich ein gesamtes Team zur gemeinsamen Höchstleistung antreibt.

Die stärkste „Business Vision“ eines Red Bull Teams, dem ich viele Jahre angehören durfte, war das Ergebnis eines Traumes eines Regionalverkaufsleiters in Österreich. In den Anfängen von Red Bull war es nicht gerade leicht, ein Getränk zu verkaufen, das angeblich ungesund ist, das nach flüssigen Gummibärli schmeckt und zudem recht teuer ist. Unser Team von 6 Mitarbeitern, die den Heimatmarkt Österreich in Verkauf und Marketing damals bearbeiteten, kommt an einem geschichtsträchtigen Tag zusammen, um zu beraten, was wir nach ersten Anfangserfolgen mit dieser Marke noch erreichen könnten. Nach einigem Zögern erzählt unser Kollege Leo von seinem Traum, in dem wir alle in einem Konferenzraum sitzen, die Tür geht auf, ein Herr im Anzug kommt herein und stellt sich als Vertreter einer Marktforschungsfirma vor. Als nächstes präsentiert der Herr uns, dass Red Bull in Österreich Coca-Cola überholt hat und damit die wertvollste Getränkemarke des Landes ist. „Jetzt werdet ihr mich wahrscheinlich auslachen,“ endet Leo, und genauso ist es auch. Das klingt alles einfach zu unrealistisch. Wir müssten den Umsatz mindestens vervierfachen, um eine legendäre Marke zu überholen, die es seit über hundert Jahren gibt, und die über hundertmal mehr Mitarbeiter verfügt. Einige erfolgreiche Jahre später schaut es dann aber tatsächlich so aus, dass es sich innerhalb der nächsten 5 Jahre ausgehen könnte, wenn wir noch einen ordentlichen Wachstumsschub hinzufügen könnten. Damit wird Leos Traum zur offiziellen Vision des Teams von Red Bull Österreich, das mittlerweile aus ca. 50 Personen besteht. Je näher die Erreichbarkeit rückt, desto mehr Mitarbeiter sind überzeugt, dass wir es schaffen werden. Wir beginnen damit, darüber zu reden, wie wir diesen Erfolg feiern werden, und schnell einigt man sich auf ein Partyboot vor Ibiza, ein Katamaran muss es schon sein, mit weißen Segeln, und wir schicken uns gegenseitig die neueste „Café del Mar“ CD, um den Sound von Ibiza auch schon mal im Ohr zu haben. Schließlich glaubt jedes einzelne Teammitglied – von der Verkaufsassistentin bis zum Studenten auf Ferialjob – so sehr daran, dass die Erreichung der Vision unvermeidlich wird. Schließlich ersuchen einige ihre Freunde und Familienmitglieder noch im entscheidenden Jahr, kein einziges Coca-Cola anzurühren, weil genau diese Dose den Unterschied machen könnte. Am Jahresende planen wir ein großes Meeting mit allen Teammitgliedern in Wien, und Leo, der knapp vor seiner Pensionierung steht, wird nichtsahnend in die erste Reihe gesetzt. Zu Beginn unserer Konferenz öffnet sich die Tür, ein Herr im Anzug erscheint und stellt sich als Repräsentant einer Marktforschungsfirma vor. Wenig später startet er seine PowerPoint Präsentation und kommt bis zu dem Chart, das belegt, dass Red Bull wertmäßig Coca-Cola in Österreich überholt hat und damit die Nummer 1 Getränkemarke geworden ist. Ich beobachte den armen Leo in der ersten Reihe, dem die Tränen aus den Augen schießen und beinahe seine dicken Brillen wegspülen. Im Saal bricht die Hölle los, und die Disziplin lässt sich nicht so schnell wiederherstellen. Auch nicht auf Ibiza, wo 50 Red Bull Mitarbeiter wenig später auf einem Katamaran die Party ihres Lebens feiern. Aber das ist eine andere Geschichte.
Was bleibt, ist die Überzeugung, dass jeder einzelne im Red Bull Österreich Team diese Vision so deutlich gesehen und gespürt hat und auf den Erfolg so entschlossen hingearbeitet hat, dass er unvermeidlich wurde. Dies war ein gigantischer Erfolg für Red Bull, allerdings in einem kleinen Land. Für die gesamte Firma war es dennoch wichtig, die gerade in Begriff war, die Marke Red Bull in mehr und mehr Länder auszurollen. Denn es gibt keinen Grund, warum das, was in Österreich möglich war, nicht auch in jedem anderen Land der Erde passieren könnte. Und für einige Mitglieder des Red Bull Österreich Teams war das der Beginn einer spannenden internationalen Karriere auf dem Weg von Red Bull zu einer Weltmarke.

Mit dem Ersuchen um Verständnis, dass hier weniger auf Misserfolge eingegangen wird (die leider auch immer wieder passiert sind), folgt hier ein weiteres Beispiel einer außergewöhnlich starken Business Vision aus der Welt von Red Bull. Hauptdarsteller sind dabei die Mitglieder eines kleinen internationalen Teams (Österreicher, Schweizer, Franzosen, Monegassen), die gemeinsam die Markteinführung von Red Bull in Frankreich vorbereiten. Frankreich war aus nicht nachvollziehbaren Gründen das letzte Land Europas, das die Vermarktung von Red Bull Energy Drink freigeben würde. Nachdem französische Konsumenten davor schon Millionen Red Bull Dosen in ihr Land „geschmuggelt“ haben, arbeitet dieses Team darauf hin, endlich die erste Red Bull Dose offiziell in Frankreich verkaufen zu können. Aber es verstreichen Monate und Jahre, und immer wieder verzögert sich das OK der französischen Behörden.
Im Anschluss an ein weiteres Vorbereitungsmeeting in Paris spazieren wir in der Dunkelheit zur „Place Charles-de-Gaulle“ im Zentrum der Stadt. Inmitten des Straßenlärms stellen wir uns vor, dass genau an diesem Platz um den Triumphbogen jede Menge Red Bull Minis (Mini Cooper Cabrios mit riesigen Red Bull Dosen auf dem Buckel) kreisen, mit Red Bull Sampling Girls aus ganz Europa am Steuer. Die gemeinsame Vorstellung dieses Bildes und das Kribbeln im Bauch, das jeder von uns dabei verspürt, werden entscheidend für eines der erfolgreichsten Markteinführungsprojekte, nach langen Jahren des Wartens, der Hoffnung und der Frustration.

Am 1. April 2008 stehen wir am Dach eines Gebäudes am Place Charles-de-Gaulle, auf dem unsere Kameras in Stellung gebracht sind. Knapp vor 11:00 vormittags taucht der erste Red Bull Mini etwas verfrüht auf – interessanterweise aus Spanien – und verschwindet schnell wieder. Kurze Zeit später sehen wir, dass Red Bull Minis an allen Avenues heranrollen, die auf dem gigantischen Platz zusammenkommen – alle mit Flaggen aus den Ländern, von denen sie aufgebrochen sind. Sie kommen aus England, den Benelux Staaten, Skandinavien, Italien, Spanien, Deutschland, Österreich, der Schweiz, Osteuropa, etc., und sogar Nordafrika, weit mehr als hundert Fahrzeuge, jedes mit zwei charmanten jungen Damen besetzt, die bereit sind, die ersten offiziellen Red Bull Dosen nach Paris zu bringen und zu feiern! Die Pariser Polizei versucht anfangs noch, ein paar von ihnen aufzuhalten und gibt dieses Vorhaben schnell auf. Wie soll man eine kleine Armee von fröhlichen jungen Damen aufhalten, die keinerlei Französisch verstehen (wollen)?

Was wir hier erleben, ist noch wesentlich spektakulärer, als wir es uns vorgestellt haben, und wir verfolgen mit einem euphorischen Hochgefühl, wie der Verkehr unter uns langsam zum Erliegen kommt. Die Nachrichten über diese Aktion verbreiten sich schnell über Paris, den Rest von Frankreich, und sogar in viele andere Länder. Ich fange schon an, über die Auswirkungen auf die Bekanntheit von Red Bull in Frankreich nachzudenken und darüber, wie wir diesen Abend noch feiern werden – bis plötzlich die gesamte Szenerie einzufrieren scheint: Armeefahrzeuge rücken an, und wir sehen schwere Waffen! Spätestens in diesem Moment haben wir komplett die Kontrolle über die Aktion verloren, auch wenn wir noch verzweifelt alle Minis anfunken, sie sollten um Himmels Willen sofort verschwinden – was nicht ganz einfach in diesem Verkehrschaos ist. Ab sofort befinden wir uns auf der Flucht, und ich habe an jeder Straßenecke Angst, als Verantwortlicher für diese Aktion festgenommen zu werden und in einem Pariser Gefängnis zu landen. Was wir nicht mehr mitbekommen, ist die darauffolgende wilde Verfolgungsjagd mit offiziellen Polizeifahrzeugen auf den einen Seite und inoffiziellen Red Bull Fahrzeugen auf der anderen. Etwa die Hälfte unserer Minis samt Besatzung wird geschnappt, und die Fahrzeuge müssen sich auf den Champs Élysées aufreihen. Als nächstes folgt der Auftritt unseres furchtlosen Pariser Anwalts Alain auf seinem Motor Scooter, der mit den Polizisten zu verhandeln beginnt. Nach einer Weile steigt er auf eine Bank und spricht zu den Mädchen: ‘You must promise me now, that you will no longer drive in convoy! Then you are released!’ Die Mädchen kreischen vor Freude auf, umarmen die Polizisten, machen Selfies mit ihnen, geben ihnen Red Bull Dosen zum Probieren und fahren einfach weg – um sich auf eine spektakuläre Party am Abend vorzubereiten.

Was beide dieser wahren Begebenheiten verbindet (neben der großen Party am Ende...), ist eine ungeheuer starke Vision, die jeder einzelne nicht nur sehen, sondern bis in die Zehenspitzen spüren konnte. Dabei ist es unbedeutend, von wem diese Vision stammt, solange sich alle damit verbunden fühlen. Und manchmal muss man auch sehr, sehr lange warten, bis man sie für sich findet und spürt, dass es die richtige ist. Sebastian Vettel wusste schon mit elf Jahren, als ihn mein Kollege Oliver in Deutschland erstmals traf, dass er einmal Formel-1 Weltmeister sein wollte. Dietrich Mateschitz war in seinen Vierzigern, als er damit begann, eine Weltmarke zu schaffen, die Flügel verleihen würde. Und meine eigene Mutter entdeckte erst als pensionierte Volksschullehrerin in sich die Bestimmung, bei der Gründung einer Schule in Afrika mitzuwirken (in Nimo, Nigeria). Besser, als die Inhaltsstoffe einer exzellenten Vision zu sezieren, ist es, das Gefühl zu beschreiben, wenn man sie gefunden hat: „Wie der Flügelschlag von Schmetterlingen in meinem Bauch,“ so würde Andy Holzer es beschreiben. Andy ist einer der erfolgreichsten Alpinisten Österreichs, und er ist Bestsellerautor. Neben anderen eindrucksvollen Leistungen erreichte er im Frühling 2017 den Gipfel des Mount Everest bei seinem dritten Versuch. Und er ist blind.

2) Dein Talent hat Dich hierhergebracht, jetzt zeige Charakter, um auch zu bleiben!

Dieser Satz steht (auf brasilianisch) über dem Eingangstor der Red Bull Fußballakademie in Brasilien, einem Land, in dem unglaubliche Fußballtalente an jeder Ecke jeder „Favela“ kicken. Gleichzeitig wissen wir vom deutschen Bundesligaklub RB Leipzig, dass nur 2-3% aller Spieler, die in die Leipziger Fußballakademie Aufnahme finden, auch den Weg in die Profimannschaft schaffen. Was macht also den Unterschied aus zwischen dem ewigen Talent und dem Weltklassespieler? Nachdem ich den Werdegang von zahlreichen Talenten im Sport, im Geschäftsleben und in Bildungsprojekten verfolgen konnte, bin ich zur Überzeugung gekommen, dass in erster Linie zwei Charakterzüge dafür verantwortlich sind. Auf der einen Seite ist es das Durchhaltevermögen, das einen durch mindestens 10 Jahre harten Arbeitens tragen muss. Auf der anderen ist es die aufrichtige Verbundenheit mit den wesentlichen Werten der Gemeinschaft auf der „Island of Excellence“, die für den Erfolg ausschlaggebend ist.

Wenn man dazu bereit ist, über eine so lange Zeitspanne wie 10 Jahre und länger zu trainieren und auf etwas hinzuarbeiten, wird man garantiert richtig gut dabei. Ich halte sogar eine Olympiateilnahme für fast jeden Sportler möglich, der 10 Jahre seines Lebens nichts anderem widmet, als sich diesen Traum zu erfüllen. Man muss dafür natürlich eine Sportart aussuchen, für die man eine gewisse körperliche Veranlagung hat – und es gibt leider Altersgrenzen... Entscheidend bleibt dabei aber das Durchhaltevermögen, um die Motivation über diese 10 Jahre aufrechterhalten zu können. Idealerweise kommt diese Motivation von innen und wird dem Talent nicht von der „Eislaufmama“ oder dem Trainersystem aufgezwungen. Ansonsten lauert die Gefahr, dass das Talent bei der ersten sich bietenden Gelegenheit abspringt. Der Vater des aktuell erfolgreichsten Alpinen Skifahrers – Marcel Hirscher – beschreibt das Durchhaltevermögen seines Sohnes als eine herausragende Charaktereigenschaft, die ihm während seiner Kindheitstage auf einer Almhütte aufgefallen ist. Wenn der kleine Marcel im Frühjahr entschieden hat, dass er einen riesigen Stein mit seinem Kinderwerkzeug ausgräbt, dann war der Stein vor dem Wintereinbruch heraußen.

Was für den Sport gilt, gilt genauso für die Bildung und die Berufswelt. Gianluca Seguso, Präsident und CEO der außergewöhnlichen Glasmanufaktur Seguso, die sich seit dem 14. Jahrhundert im Familienbesitz befindet, erzählte mir, dass auch ein talentierter Glaskünstler 10 Jahre dafür benötigt, um ein Meister zu werden. Nur wenige halten diese lange Zeit durch. Die berühmte Seguso Glasmanufaktur befindet sich auf der Insel Murano bei Venedig, die seit hunderten von Jahren als „Island of Excellence“ für Glasmanufaktur gilt.

Nach dem Durchhaltevermögen ist es etwas komplexer, das Thema „Werteverbundenheit“ als zweite wesentliche Charaktereigenschaft auf dem Weg zur Exzellenz zu beschreiben. Es geht um das große „Wie“, also die Art und Weise, wie auf die Ziele hingearbeitet wird. Wenn jedes Teammitglied dasselbe Verständnis der ungeschriebenen Gesetze hat, die durch gemeinsame Grundwerte bestimmt sind, kann eine eigene „Culture“ entstehen, wie sie Harvard Professor Clayton Christensen in verschiedenen Publikationen beschrieben hat. „Gewinnerkultur“ oder „Gewinnermentalität“ bezeichnet häufig ein Phänomen, das erfolgreichen Mannschaften attestiert wird. Diese Kultur ist ein wesentlicher Faktor, der so individuell ist, dass er auch nicht weggenommen werden kann. Mitbewerber können erfolgreiche Konzepte kopieren oder Leistungsträger abwerben, aber sie können nicht die Kultur auf einer „Island of Excellence“ wegnehmen. Der Gründer und CEO von Red Bull, Dietrich Mateschitz, betont immer wieder, dass ihm das „Wie“ wichtiger ist als das „Was“.

Häufig sind es charakteristische Geschichten aus einer Organisation, die ihr Wertesystem und damit ihre Kultur besser vermitteln als eine Beschreibung mit Worten. Als ich mich im Jahr 1994 entschied, einen internationalen Karrierepfad in der erfolgreichen Konsumgüterfirma Procter & Gamble zu verlassen, um als offiziell 14. Mitarbeiter bei einer kleinen österreichischen Firma – Red Bull – zu beginnen, war es besonders der folgende Mythos, der beim Gedanken an diese neue Firma für Flügelschlag in meinem Bauch sorgte: Der Gründer von Red Bull würde alle unsere Strafmandate bezahlen, weil alle so viel zu tun hätten, dass man richtig schnell Auto fahren müsste. Egal, ob dieser Mythos stimmte oder nicht (ich habe jedenfalls jedes meiner zahlreichen Strafmandate selbst bezahlt...), er beschreibt sehr gut eine anti-autoritäre, unternehmerische und polarisierende Firmenkultur, die die Firma Red Bull einzigartig und weltweit erfolgreich gemacht hat.

Das bereits erwähnte Skiphänomen Marcel Hirscher ist nicht nur aufgrund seines herausragenden Talents und seines außergewöhnlichen Durchhaltevermögens so erfolgreich geworden. Die „Island of Excellence“, die außerhalb des allmächtigen Skiverbandes ÖSV für ihn unter Führung seines Vaters geschaffen wurde, besteht seit vielen Jahren aus demselben kleinen Team, in dem Werte wie Unabhängigkeit, Professionalität in jedem kleinen Detail, und auch Loyalität eine große Rolle spielen.

In dem ebenfalls schon erwähnten Beispiel einer „Island of Excellence“ aus der Welt der Schulbildung - der St. Gilgen International School – musste sich die Kultur der Organisation unter dramatischen Umständen ändern, um ihr Überleben zu gewährleisten: Im April 2016 wurden meine Frau und ich darüber informiert, dass die Schule unserer Kinder in St. Gilgen bei Salzburg – eine internationale Schule, die mit dem hochangesehenen International Baccalaureate (IB) abschließt – mitten im Schuljahr zusperren müsste, da der Eigentümer, ein Investmentfonds, kein Geld damit verdienen würde. Diese Entscheidung war nicht nur eine faktische Katastrophe für die Schüler – viele vor Ihnen standen knapp vor der Matura – deren Eltern, die Lehrer und die Gemeinde. Auch emotional gab es eine starke Bindung innerhalb der Schulgemeinde der kleinen Privatschule, in der etwa 40 internationale Lehrer in kleinen Klassen von 12-15 Schülern im englischsprachigen Unterricht auf eine einzigartige Weise auf die individuellen Stärken der Schüler eingehen können. „Every child has got talent, and at StGIS we will develop it,” lautet das Motto der Schule. Und jetzt waren nur wenige Tage Zeit für die Eltern, um eine Initiative zu starten, die später als das „Bildungswunder von St. Gilgen“ bekannt wurde.

Entscheidend war in dieser Krisensituation eine revolutionäre Veränderung der Kultur und des Wertesystems – weg von der Gewinnorientierung, und hin zu einer Not-for-Profit Organisation, die auf der ehrenamtlichen und engagierten Führung von Eltern beruht. Die Frage war nicht mehr, was man noch alles von der Schule fordern konnte, für die man ja ein hohes Schulgeld bezahlte, sondern vielmehr, was man als Eltern dazu beitragen konnte, die Schule noch besser zu machen. Innerhalb dieses Wertesystem gelang es nach nächtelanger Arbeit, nicht nur einen professionellen Business Plan auszuarbeiten, der nach der Sanierung die Re-investition sämtlicher Gewinne zurück in die Schule vorsieht. Die Finanzierung des Planes gelang ausschließlich über Eltern, die Millionenbeträge in Form von Spenden und langfristigen Krediten einbrachten und die Schule damit finanziell unabhängig machten. Als nach einer der ersten Maßnahmen der neuen Organisation die Schulgebühren gesenkt wurden, stand es allen Eltern frei, freiwillig den dadurch gesparten Betrag (bis zu 12.000,- Euro pro Schüler) der Schule zu spenden – und nahezu alle Eltern waren dazu bereit! Es gelang sogar, die in attraktiver Lage am Wolfgangsee gelegenen Schulimmobilien für die Schule zu kaufen, und zwar ohne Bankkredite, nur über großzügige Darlehen von Eltern. Und um die Transformation zu einer „pro bono“ Gemeinschaft abzuschließen, konnte einem Drittel der Schüler der Schulbesuch über (von Firmen finanzierte) Stipendien ermöglicht werden, deren Eltern sich die Schulgebühren sonst nicht leisten könnten. Ich weiß nicht mehr, wessen Idee dieser Kulturwandel an der StGIS war, aber er war eindeutig entscheidend für ihren Erfolg.

Zurück zu unserem Bild der „Island of Excellence“, auf dem die Talente wie Felsen aus dem Meer der Mittelmäßigkeit herausragen. Die fruchtbare Erde, aus der die Palme als Vision herausragt, steht für den Charakter der Talente, also deren Durchhaltevermögen und ihre Verbundenheit mit den richtigen Werten. Was jetzt noch fehlt, ist der menschliche Beitrag, die harte Arbeit, die die Trainer, Manager und Lehrer in ihre Schützlinge stecken.

3) Stärken stärken!

Es gibt ein bahnbrechendes Experiment des Marktforschungsinstituts Gallup, von dem jeder Entscheidungsträger in Sport, Wirtschaft und Bildung einmal gehört haben sollte. Dabei geht es um die Fähigkeit, schnell zu lesen. Eine Gruppe von durchschnittlichen Lesern, die ca. 90 Wörter pro Minute schaffen, unterzieht sich einem Schnelllesekurs. Danach ist messbar, dass sie sich durchschnittlich um fast 70% verbessern können. Wenn eine Gruppe von schnellen Lesern, die ca. 350 Wörter pro Minute lesen, denselben Kurs absolviert – wie wird sich dann ihre Fähigkeit verändern? Die Antwort lautet -um spektakuläre 700%! Die Menschen, bei denen schnelles Lesen bereits eine Stärke war, können sich dann auf durchschnittlich 2900 Wörter pro Minute verbessern. Damit könnten Sie diesen Artikel in weniger als drei Minuten lesen!

Das Konzept, bereits vorhandene Stärken weiter zu stärken, ist in der Geschäftswelt und im Sport schon recht gut etabliert. Wenn beispielsweise Raphael Nadal, einer der besten Tennisspieler aller Zeiten, sein Training zu sehr auf seine Schwächen konzentriert hätte, wie seinen Aufschlag, hätte er es nie an die Spitze der Weltrangliste geschafft. Zum Glück war er auf seiner Heimatinsel Mallorca von einem Trainerstab unter seinem Onkel Toni umgeben, der in erster Linie seine Stärken weiter ausgebaut hat, wie seine Topspin Grundschläge, seine Beinarbeit und seine mentale Stärke. Diese herausragenden Stärken waren entscheidend dafür, dass er bisher elf Mal die French Open in Paris gewinnen konnte – und nicht eine Verbesserung seines Aufschlags von schwach auf mittel.

Auch in Teamsportarten setzt sich mehr und mehr das individuelle Trainieren der Stärken der einzelnen Spieler durch. Besonders ausgeprägt ist dies beispielsweise in den einzelnen Spielergruppen von NFL Teams, wesentlich weniger in so mancher Fußballmannschaft, in der noch immer die trainingstechnische Sinnlosigkeit des gemeinsamen Rundenlaufens praktiziert wird. Egal, welches Tempo dabei eingeschlagen wird, für die meisten Spieler ist es aufgrund ihrer individuellen läuferischen Fähigkeit und Bereitschaft einfach zu schnell oder zu langsam, um einen sinnvollen Trainingseffekt zu haben. Ein Beispiel für eine höchst erfolgreiche Umstellung auf individuelle Trainingspläne kommt aus der Welt des Jugendhandballs:

Die österreichische Juniorennationalmannschaft – gecoacht von Roland Marouschek, gemanagt von Thomas Menzl – bekam die große Chance, unter die Flügel des Red Bull Training Centers (unter Leitung von Dr. Pansold) in Thalgau genommen zu werden. Dort lernte der erfolgreiche Handballtrainer als Erstes, dass er trotz jahrzehntelanger Erfahrung keinerlei Ahnung von effektivem Grundlagentraining hat. Diese Erkenntnis tut zwar zunächst weh – auch wenn man dieses Schicksal mit einigen der Allergrößten aus der Sportlerwelt teilt, deren Ego schon mal in Thalgau von Dr. Pansold geknickt worden ist – aber wenn man klug genug ist, sich auf die Fakten individueller Leistungsdiagnostik einzulassen, kann man zu ihrem erfolgreichen Jünger werden. Die besagte Juniorennationalmannschaft wurde die erste Handballmannschaft in Österreich, deren individuelle Trainingspläne auf ebensolchen Diagnostikdaten beruhten, und bei denen Blutwerte vor jedem Training und Match gemessen wurden, um das jeweilige Training und auch die Spielzeit im Turnier zu beeinflussen. Als Ergebnis kam es zu einer Unterbrechung der nationalen Fernsehnachrichtensendung im Herbst 2017, in der ORF Sprecher Armin Wolf verlautbarte, endlich gebe es ein „Neues Cordoba“. Denn Österreich hatte soeben Deutschland im Finale der Schul-WM in Katar besiegt. Und zwar in der Verlängerung. Nach einem kräfteraubenden Turnier mit 7 Spielen in 6 Tagen hatte das Team aus Österreich eindeutig größere Kraftreserven und mit dieser Stärke über ein Land gewonnen, das über ein Vielfaches an Handballressourcen verfügt. Der „Weltmeistercoach“ Roland Marouschek bestätigte, dass diese für den Ausgang des Finales entscheidende Stärke in erster Linie dem individuellen Ausdauertraining nach der Methode von Dr. Pansold und dem Red Bull Trainingscenter zu verdanken ist.
Für manche Firmen ist das nichts Neues, und sie setzen nicht nur ihre Mitarbeiter nach ihren Stärken ein, sondern bilden sie darin auch weiter aus. Leider gibt es aber auch Gegenbeispiele, in denen extrovertierte Verkäufertypen durch eine Serie von Datenanalysetrainings gejagt werden, anstelle sie in Verhandlungstechniktrainings noch stärker zu machen. Auch ist die entbehrliche Frage bei Jobinterviews „Was sind Ihre Schwächen?“ noch immer recht gebräuchlich, und es ist jedem Kandidaten überlassen, eine mehr oder weniger humorvolle Antwort darauf vorzubereiten. Studenten, die sich auf ihre ersten Jobinterviews vorbereiten, empfehle ich lieber, sich auf ihre einzigartigen individuellen Stärken zu konzentrieren und diese dem Interviewpartner zu vermitteln. Jeder von uns hat seine eigenen, höchst individuellen Stärken, und wir sind gesegnet, wenn Eltern, Lehrer, Trainer oder Mentoren uns dabei helfen, sie zu entdecken und weiterzuentwickeln. Marlo Morgan beschreibt in ihrem berührenden Buch „Traumfänger“ einen kleinen Stamm Australischer Aborigines, der sie auf einen „Walkabout“ mitnimmt. Dabei lernt sie, wie Neugeborene willkommen geheißen werden („Du sollst wissen, dass du auf dieser Reise geliebt und unterstützt wirst!“) und wie jedem Stammesmitglied dabei geholfen wird, seine eigene Bestimmung nach den jeweiligen Stärken zu finden, vom „Heiler“ zum „Geschichtenerzähler“, etc. Wenn wir die Chance bekommen, unsere eigenen Talente und Stärken zu entdecken und weiterzuentwickeln, haben wir viel mehr Freude mit unseren Tätigkeiten! Und wir machen sie viel besser, sodass unsere Gesellschaft schließlich aus der Summe ihrer Teile umso wertvoller wird.
Ist das Konzept “Stärken stärken“ auch in der Schulbildung möglich? Und was macht man, wenn man in einem Schüler kein Talent, keinerlei Stärken sieht? Letztere Frage durfte ich kürzlich Len Duvall stellen, der über 40 Jahre lang gemeinsam mit seiner Frau Linda eine hervorragende internationale Schule in Stavanger, Norwegen leitete. Er sah mich darauf lange an – so wie der Zauberer Gandalf mit seinen weisen Augen einen kleinen naiven Hobbit anschaut - und antwortete: „Wenn Du in einem Kind keine Stärken erkenn kannst, musst Du viel tiefer danach suchen.“

Ich habe die Mehrzahl aller Länder dieser Erde bereist und dabei sich jede bietende Gelegenheit genutzt, mit jungen Menschen über ihre Schulbildung zu sprechen. Dabei habe ich den Eindruck gewonnen, dass in den meisten öffentlichen Schulsystemen – speziell auch in Österreich – das Konzept, die Stärken der Schüler weiter zu stärken, noch nicht wirklich angekommen ist. Wir kennen alle Kinder, die eine gewisse Mathematikschwäche haben. Hat sich dies einmal – meist in den letzten Volksschulklassen - manifestiert, ist dies der Beginn einer langjährigen Quälerei durch Nachhilfestunden und die völlige Dominanz von Mathematikthemen im Schulalltag, damit diese Kinder auf ein Durchschnittsniveau und damit am Ende durch die Zentralmatura gebracht werden können. Und dasselbe gilt für alle anderen Gegenstände, in denen man unterdurchschnittlich ist. In Österreich, mit seinen 8,8 Millionen Einwohnern, geben Eltern jährlich über 100 Millionen Euro für Nachhilfestunden für 250.000 Schüler aus – in Gegenständen, in denen ihre Kinder schwach sind! „Erziehung zur Mittelmäßigkeit“ ist das Gegenteil von „Stärken stärken“, und dies ist der größte Fehler, den ein Bildungssystem überhaupt machen kann. Stattdessen müssen unsere Schüler unbedingt mehr Zeit mit den Lerninhalten verbringen, in denen sie stark sind. Natürlich sollten sie in ihren schwachen Fächern ein Mindestniveau erreichen- aber nicht viel mehr. Je mehr sich die Schüler nach der Volksschule dem Maturajahr nähern, umso mehr sollten sie sich mit den Lerninhalten beschäftigen, in denen sie ihre Stärken gefunden haben.

Von den Schulsystemen, die ich kennengelernt habe, entspricht das International Baccalaureate (IB) am ehesten dem Prinzip „Stärken stärken“. Es erlaubt Maturanten, eine eher leichte Prüfung in den Pflichtgegenständen (wie Mathematik) abzulegen, in denen sie schwächer sind. Gleichzeitig können sie diejenigen Fächer nach ihren individuellen Stärken aussuchen, mit denen sie sich intensiv beschäftigen werden, da die Prüfung in diesen Gegenständen dann auch richtig herausfordernd sein wird. Es zählt zu den wichtigsten Aufgaben für Eltern, Schüler und Lehrer, in den sogenannten „Middle Years“, also im Alter von 13 bis 16 Jahren, über die Stärken des Schülers zu beraten und den entsprechenden weiteren Bildungsweg auszusuchen. Natürlich kommt es auch vor, dass sich Schüler erst später über ihre Stärken im Klaren sind. Und manchmal gibt es traurige Fälle, in denen Schüler es aufgegeben haben, nach ihren Stärken zu suchen, als Folgen traumatischer Erlebnisse oder irreführender Indoktrinierung. Dann kann es schon schwerfallen, an „Gandalfs“ Worte zu glauben. Dennoch müssen wir weitersuchen. Und es zählt zu den erfüllendsten Momenten für Eltern, Lehrer und Mentoren, wenn ein Kind seine Stärken und seine Bestimmung findet. Ich erlebte einen dieser magischen Momente, als ein junger Mann aus einem Tiroler Ort endlich in sich eine besondere Stärke fand, unglaublich fantasievolle digitale Welten entwickeln zu können. Nachdem er die Schule und eine Kochlehre abgebrochen hatte, fand er sich endlich an einer der besten Schulen für „Conceptual Arts Development“ in Los Angeles, und war glücklich wie noch nie.

Auf einer „Island of Excellence“ ist es somit der wichtigste menschliche Beitrag, die schon vorhandenen Stärken der Talente mit viel Arbeit und Geduld weiter zu stärken. Es ist eine hervorragende Investition, wenn man für diese Insel die besten Coaches gewinnen kann, die nicht nur die Fähigkeit haben, Stärken zu erkennen und weiterzuentwickeln, sondern die auch ihre Leidenschaft und ihr Engagement weitergeben können. Die besten Lehrer können genau das. (Und die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, hilft auch, denn dann finden sie die Schüler auch noch cool.) Diese Lehrer und Coaches sollten die allerhöchste Anerkennung in unserer Gesellschaft finden, denn ihr Beitrag ist nicht geringer als jener von Ärzten und Skistars. Ich kenne jede Menge hochmotivierter junger Lehrer, die mit Leidenschaft begonnen haben, an öffentlichen Schulen mit der Vision zu unterrichten, einen Beitrag zur Verbesserung der Welt zu leisten. Jeder und jede einzelne davon haben dieses Engagement nach wenigen Jahren verloren und sind frustriert und desillusioniert zum Dienst nach Vorschrift übergegangen, da ein System mit riesigen Klassen, unterschiedlichen Sprachkenntnissen, starren Lehrplänen und konservativen Schuldirektoren ihnen keinen Raum zur Entwicklung gab.

Persönlich habe ich den allerhöchsten Respekt für die Aufgaben von Lehrern und Erziehern. Als selbsternannter „Bildungsaktivist“ bin ich allerdings der Überzeugung, dass unser Schulsystem eigentlich eine Revolution bräuchte, damit unsere Kinder auf die wesentlichen Anforderungen von Morgen vorbereitet werden. Unsere Gesellschaft wird Mitglieder mit ausgeprägten individuellen Stärken benötigen, um die Herausforderungen der Zukunft meistern zu können, keine Menschenmassen, die möglichst überall gleich mittelmäßig sind. Die Wichtigkeit der klassischen Intelligenz ist längst schon von der sogenannten emotionalen Intelligenz überholt worden, die kaum in öffentlichen Schulsystemen berücksichtigt werden kann. Zugegeben, der so wichtige empathische Dialog wird auch durch die grassierende Handy-Sucht nicht gerade gefördert – aber umso wichtiger ist es, dass in unseren Klassenzimmern leidenschaftlich diskutiert wird!

Nachdem die letzte echte Revolution in unserem Bildungssystem auf das Jahr 1744 zurückgeht, als Maria Theresia die Schulpflicht für Kinder vom 6. bis zum 13. Lebensjahr einführte, wird auch die nächste noch etwas auf sich warten lassen, Dafür ist das bestehende System einfach auch zu wenig schlecht. Daher glaube ich mehr an die Wirkung von „Islands of Excellence“ in der Welt der Bildung, wie die St. Gilgen International School, und hoffentlich weitere private Schuleinrichtungen. Es wird erwartet, dass sich die Anzahl der internationalen Schulen, die den IB Abschluss anbieten, in den nächsten fünf Jahren weltweit verdoppeln wird. Diese Explosion beruht darauf, dass immer mehr Eltern aus der sogenannten Mittelklasse das teure Schulgeld als die beste Investition in die Zukunft ihrer Kinder sehen. Aber „Islands of Excellence“ sind auch im öffentlichen Schulsystem möglich, wenn ein ambitionierter Direktor oder eine Direktorin ihre Autonomie voll ausschöpft, und da und dort auch darüber hinausgeht. Und auch in einzelnen Abteilungen an Schulen oder Universitäten ist es möglich, gegen die Wiederstände der Beharrlichkeit kleine Inseln zu schaffen und damit auch das Umfeld mit dem Virus „Exzellenz“ anzustecken.

Was wir auf einer „Island of Excellence“ nicht brauchen können

Es gibt eine Reihe von Faktoren, die auf einer „Island of Excellence“ nichts zu suchen haben, oder deren Bedeutung total überschätzt wird. Zu letzterem zählen Geld, Strategie, Größe und Organisation. Ich habe mehr als einmal Projekte kläglich scheitern gesehen, obwohl sie auf all diesen Gebieten bestens ausgerüstet waren.

Fangen wir mit dem Geld an, dessen Bedeutung generell fast immer falsch eingeschätzt wird. Dabei spielt es durchaus eine Rolle, dass Manager, Coaches und Lehrer fair bezahlt werden können – aber auch nicht mehr als das. Solange das Entlohnungssystem nicht als unfair empfunden wird, spielt die Höhe der Gagen keine Rolle auf dem Weg zu Spitzenleistungen. Respekt ist viel, viel wichtiger als Geld, und man kann einen Mitarbeiter gar nicht zu viel loben, sofern das Lob ehrlich gemeint ist. Und Geld kauft keine Meisterschaften, wie schon oft bewiesen worden ist.

Hier kommt ein Lieblingsthema für Vorstandsetagen und Beraterfirmen: Die richtige Strategie! Ok, sie ist vielleicht nicht ganz unwichtig, denn der Schwung sollte nicht in die falsche Richtung gehen. Aber wenn einmal eine brauchbare Strategie feststeht, sollte man wieder ganz schnell raus aus den endlosen Strategiekonferenzen, denn jetzt sollte der Teil kommen, der wirklich den Unterschied macht: Die Umsetzung! Dieser Teil ist viel schwieriger und braucht viel länger, und er erfordert all unsere Energie. Es ist die effektive Exekution, die den Unterschied macht zwischen Gewinnen und Verlieren, zwischen Erfolg und Untergang.

Die Größe einer „Island of Excellence“ hat keine wesentlichen Auswirkungen auf ihren Erfolg. In kleineren Teams ist natürlich die Kommunikation einfacher, und idealerweise führt ein Leader ein Team von 7 Leuten. In dieser kleinen Gruppe kann er oder sie jederzeit mit allen kommunizieren, und man spürt, wenn einer der Mitarbeiter schwächelt, Das ist wie bei einer Kette, die beim schwächsten Glied zu reißen droht. Ganz ähnlich lässt sich eine Mannschaft von 50 Leuten führen, wenn der Leader 7 Personen, die direkt an ihn berichten, voll vertrauen kann, die jeweils 7 weitere führen. Darüber hinaus wird die Kommunikation noch schwieriger, aber es ist mit Geschick grundsätzlich weiterhin möglich.

Während meiner Zeit bei Red Bull ist diese Firma von einigen wenigen auf über 10.000 Mitarbeiter weltweit gewachsen, und irgendwann wurde es auf diesem Weg nicht mehr möglich, den unternehmerischen Spirit aus der Start-up Phase beizubehalten. Das erste Zeitalter einer Unternehmung ist nach dem alten Lateiner Ovid oft ein goldenes, in dem man „...sponte sua, sine lege fidem rectumque colebat“. Wenn ich mich richtig an die Lateinstunden erinnere, ist damit gemeint, dass in dieser Phase ehrenwertes Handeln auch ohne Regeln und Kontrolle (ohne Gesetze) gepflegt wird. Es ist leider ein Naturgesetz, dass mit dem Wachstum einer Organisation mehr und mehr Regeln aufgestellt werden, und Bürokratie immer mehr Raum und Zeit einnimmt. Je mehr man seine Aufmerksamkeit auf solch interne Themen richtet, desto öfter kehrt man dabei das Hinterteil den Dingen zu, die wirklich zählen, wie den Wünschen der Konsumenten, etc... Aber auch in den allergrößten globalen Konzernen ist es immer noch möglich, interne „Islands of Excellence“ zu schaffen, und sei es nur in der Größe einer kleinen Abteilung. Gerade diese außergewöhnlichen Abteilungen können den Unterschied machen für ein exzellentes Ergebnis der gesamten globalen Unternehmung. Und kluge Manager geben diesen „Inseln“ möglichst viele Freiheiten, damit sie durch ein kompliziertes Regelwerk nicht in ihrer Entwicklung gehemmt werden.

Kann eine ausgeklügelte personelle Organisation in einer großen Unternehmung ein entscheidender Faktor sein? Nein, kein entscheidender. Die besten Talente können sich auch in einer chaotischen Organisation durchsetzen. Ich habe Dutzende Manager beobachtet, die nach einer Beförderung zunächst einmal an Organisations-charts gearbeitet haben, die sie tagelang von den wichtigen Fragestellungen abgehalten haben. Diese Neigung hat mit Machtstreben zu tun und nicht mit der Sehnsucht nach Spitzenleistungen. Als erster Schritt bei einer neuen Aufgabe müssen nach langen Gesprächen (und viel Zuhören!) immer zunächst die Vision und die Werte geklärt sein, alles andere hat sich dem unterzuordnen.

Schließlich stellt sich die Frage, was zu tun ist, wenn die falschen Leute auf unserer Insel gelandet sind. Hier handelt es sich um die größtmögliche Bedrohung einer Unternehmung, und es bedarf klarer, für alle nachvollziehbarer, manchmal auch schwieriger Entscheidungen. Sobald feststeht, dass eine Person charakterlich nicht den wesentlichen Werten auf der Insel entspricht oder gegen die gemeinsame Vision arbeitet, muss sie sofort eine klare Warnung erhalten. Wie bei einer gelben Karte im Fußball muss diese Person verstehen, dass beim nächsten Fehlverhalten die rote Karte folgen wird – und diese sollte dann für die anderen Teammitglieder transparent und mit Begründung gezeigt werden. Als junger Manager bei Procter&Gamble hat es mich stark beeindruckt, als alle Mitarbeiter von der Firmenleitung schriftlich informiert wurden, dass ein durchaus erfolgreicher Kollege die Firma verlassen musste, da er bei seiner Spesenabrechnung geschummelt hatte. Wie Brunnenvergifter müssen diese Personen kompromisslos entfernt werden, da sonst unsere Insel schnell verpestet werden kann.

Von Professor Ernst Mohr hörte ich kürzlich in St. Gallen die dramatische Geschichte der Osterinseln (westlich von Südamerika). Um das Jahr 1300 lebten dort etwa 10.000 Menschen in Wohlstand, und ihrer Hochkultur wird die Erschaffung der geheimnisvollen Moai Statuen zugeschrieben. Nachdem allerdings begonnen wurde, alle Palmen auf der Insel zu schlägern, reduzierte sich die Anzahl der Bewohner auf rund 3000, die in Hunger und Armut lebten und vergaßen, wie man die gigantischen Statuen herstellen und transportieren konnte. Als ein holländisches Boot die Insel um 1722 für die westliche Welt entdeckte, fanden die Seefahrer sogar Spuren von Kannibalismus auf der Osterinsel vor. So etwas darf Ihrer „Island of Excellence“ nicht passieren. Die Vision und die Werte müssen kompromisslos verteidigt werden, damit die Insel nicht untergeht. Und die gute Nachricht nach einer notwendigen Kündigung oder Entlassung lautet stets, dass damit eine neue Person eine Chance bekommt, die wahrscheinlich besser ins Team passt.

Conclusio

Kürzlich wurde ich dazu eingeladen, vor den ungefähr 600 Studienanfängern an der HSG (St. Gallen) als ein Key Note Speaker über das Thema „Human Resources“ zu sprechen. Nachdem sie die Aufnahme an eine der besten Universitäten Europas geschafft haben, werden die Studenten bald feststellen, dass 24 Stunden am Tag nicht ausreichen, wenn sie all die Dinge tun wollen, die sie sich vorgenommen haben. Sehr schnell müssen sie lernen, mit ihren eigenen Ressourcen umzugehen. Und dabei hilft es jetzt schon, über die eigenen Visionen nachzudenken, um herauszufinden, was einem wirklich wichtig ist – abgesehen von guten Noten beim Studium. Danach fällt es leichter, die richtigen beruflichen und privaten Prioritäten zu setzen, und ein freundliches „Nein!“ zu den zahlreichen Dingen zu sagen, die uns bei deren Erfüllung nicht weiterbringen. Ein regelmäßiger Blick hinauf zu unserer Palme hilft uns sehr dabei. Ich wünsche jedem einzelnen von ihnen, dass sie in ihrem Leben ihre eigene Vision – und nicht die von jemand anderem – finden können, die bei ihnen das Gefühl von Schmetterlingen im Bauch erzeugt.

Zweifellos werden alle diese Studenten während ihrer Zeit auf der Universität ausgezeichnet darauf vorbereitet, später erfolgreiche Manager, Unternehmer, Anwälte, etc. zu werden, weil sie alle Fertigkeiten dafür erlernen können, die sie dafür benötigen. Es steht mir nicht zu, zu beurteilen, ob die gesamte Universität als eine „Island of Excellence“ gelten kann, die unter einer gemeinsamen Vision vereint ist. Aber ich bin davon überzeugt, dass zumindest die eine oder andere universitäre Abteilung unter diesen Begriff fällt. Dasselbe gilt für die anderen Universitäten, die ich als Gastdozent kennenlernen durfte, wie die HHL in Leipzig, und natürlich die WU in Wien, an der ich auch selbst studiert habe. Von den nationalen und internationalen Schulen, die ich bisher kennengelernt habe, fällt am ehesten die St. Gilgen International School unter den Begriff „Island of Excellence“, auch wenn auch hier noch nicht alles perfekt ist. Ich habe bisher noch kein anderes schulisches Umfeld gesehen, in dem so engagiert und individuell auf die persönlichen Stärken der heute 186 Schüler eingegangen werden kann, sei es im akademischen Bereich, im Sport, im Schauspiel oder der Musik. Ich hoffe sehr, dass es in Europa mehrere solcher schulischen Inseln gibt und noch mehr entstehen werden, deren Zugang durch ein ambitioniertes Stipendiensystem jedem Kind ermöglicht wird, das diese internationale Ausbildung wirklich will.

Aber werden die Absolventen dieser exzellenten Schulen und Universitäten tatsächlich etwas Herausragendes in unserer Welt hinterlassen? Wenn sie das wirklich tun wollen, wenn sie mit all ihrem Talent und ihrem starken Charakter etwas ganz Außergewöhnliches schaffen wollen, sind sie - wie jeder andere auch - herzlich dazu eingeladen, ihre eigene „Island of Excellence“ zu erschaffen. Vielleicht haben manche von ihnen sogar noch größere Ambitionen, und sie wollen als Politiker oder Unternehmer sogar gesamtwirtschaftlichen Einfluss nehmen, wofür ich größten Respekt hätte. Denn ich persönlich wäre für die Komplexität einer solchen Aufgabe nicht geschaffen. Meine Überzeugung ist es, dass Sie und ich, dass jeder Mann und jede Frau sofort damit anfangen kann, nach den eigenen Visionen und Stärken eine eigene Island of Excellence zu erschaffen, ohne dass dafür viel Hilfe von jemand anderem notwendig wäre. Auch außerhalb der Welt von Sport, Geschäftsleben und Bildung kann man diese besonderen Orte antreffen, sei es beim Biobauern um die Ecke, der jedes Tier beim Namen nennt und sogar eine spezielle Einrichtung baut, damit sich seine Kühe genussvoll damit kratzen können. Oder im kleinen Lokal mitten in Florenz, in dem der Chef (zu Recht!) das beste Tiramisu der Stadt anpreist, oder im Triathlon Hotel am Fuschlsee, in dem der Wirt bei der Radausfahrt selber mitkommt, so oft er kann. Wenn es mehr und mehr solcher Inseln gibt und sie ihren Einflussbereich immer weiter ausdehnen, kann jeder von uns etwas dazu beitragen, diese Welt ein kleines bisschen besser zu machen.